„Zuhören – Anerkennen – Nicht vergessen“ – eine Veranstaltung unter diesem Titel am Mittwoch, 19. Juni, im Landtag NRW richtete den Fokus auf Menschen, die als Kinder oder Jugendliche Leid und Unrecht in Heimen der Behindertenhilfe und der Psychiatrie erfahren haben. Seit zwei Jahre ermittelt die Stiftung Anerkennung und Hilfe betroffene Menschen und spricht ihnen eine finanzielle Entschädigung zu. Über das Anna-Katharinenstift haben bereits 76 Menschen, die hier früher gearbeitet haben oder noch arbeiten und wohnen, Stiftungsgelder erhalten. Einige Anträge werden noch bearbeitet. Circa 30 Bewohnerinnen und Bewohner - auch aus dem Ambulanten Wohnen - haben an der Veranstaltung im Landtag teilgenommen.
Bei der Begrüßung bezeichnete der Landtagspräsident André Kuper diesen Tag als „einen Tag der Demut“. Er verwies auf den ersten Artikel des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Daran schloss sich eine Runde mit verschiedenen Erwachsenen an, die als junge Menschen in Heimen gelebt haben. Sie erzählten von dem, was sie früher erlebt haben. Sie mussten sich viel gefallen lassen: Unwahrheit, Misstrauen und Gewalt. Einige Betroffenen berichteten auch von den Folgen, die sich in körperlichen und seelischen Erkrankung zeige oder sie so beeinträchtige, dass sie nicht wie andere Menschen in einer Partnerschaft oder mit einer Familie leben können. Viele Bewohner aus der Delegation des Anna-Katharinenstifts waren froh, dabei zu sein und dass offen über die Erfahrungen gesprochen wurde – aber auch sie mussten an frühere schmerzhafte Erlebnisse denken. „Die haben aber schlimme Sachen erlebt. Das hat mich an manches erinnert, das ich auch erlebt habe. Es hat mich sehr berührt, als ich das hörte", sagte Lydia Gorlas und Ulla Krieger:„Die Veranstaltung war gut. Durch die Erzählungen, was die Leute erlebt haben, kamen bei mir auch wieder Erinnerungen hoch.“ Einige Bewohnerinnen mussten zwischendurch den Raum verlassen, weil es Ihnen zuviel wurde.
Sozialminister Karl-Josef Laumann sprach für die Politik. Er sagte: „Man schämt sich, wenn man das hört. Ich habe immer gedacht, das könnte in einer Demokratie nicht passieren.“ Er sagte aber auch, was die Politik daraus gelernt hat. Das Schweigen habe aufgehört und die Strukturen müssen so sein, dass so etwas nie wieder passiert. „Ich bitte im Namen der Landesregierung um Entschuldigung für das, was passiert ist. Wir wollen alles dafür tun, dass es nicht mehr passiert“, so Laumann.
Auch Kardinal Wölki aus Köln bat um Verzeihung und Vergebung für das Unrecht: „Es ist schwer, zu zuhören und zu erfahren, was Sie erlebt haben. Umso schwerer, wenn man weiß, dass das nur stellvertretend für noch viel mehr Menschen ist.“ Wölki zeigte sich beschämt: „Es macht nicht nur traurig und fassungslos, sondern ist auch gegen alles gerichtet, worum es im christlichen Geist gehen soll: Schutz, Entfaltung und Bejahung. Es tut mir leid, dass wir durch das Nicht-Zuhören und Nicht-Wahrhaben-Wollen Ihr Leid noch vertieft haben.“